22. Jahrestagung

Der EbM-Kongress 2021 fand vom 24. bis 26. Februar unter dem Motto "Who cares? – EbM und Transformation im Gesundheitswesen" aufgrund der Corona-Pandemie als Online-Event statt.

Abstracts

Die Abstracts des Kongresses sind zitierfähig bei German Medical Science veröffentlicht.

Programm

Über Transformation im Gesundheitswesen wird viel diskutiert und geschrieben. Das EbM-Netzwerk hat immer wieder Transformation der Strukturen, Prozesse und der Erfolgsparameter der Gesundheitsversorgung in Stellungnahmen und Pressemitteilungen gefordert. Leitidee der Forderung ist eine konsequente Umsetzung der evidenzbasierten Medizin, die das Wohl der Patient*innen in den Mittelpunkt stellt und eben nicht Sekundärinteressen, die Patient*innen und Bürger*innen den Zugang zu qualifizierter Information als Entscheidungsgrundlage über medizinische Behandlung ermöglicht und die Über-, Unter-, Fehlversorgung entgegenwirkt.

Die Gesundheitsversorgung im Einzugsbereich des EbM-Netzwerks steht vor Herausforderungen, die widersprüchlicher nicht sein könnten. Es geht um den gerechten und niederschwelligen Zugang zu Versorgung, in ländlichen Räumen und in bestimmten gesellschaftlichen Gruppen, um die Daseinsfürsorge zu garantieren, Unterschiede in Morbidität und Mortalität zu überwinden, Chancengleichheit im Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen, Variationen in der Verfügbarkeit, Qualität und in der Inanspruchnahme zu überwinden. Die Umverteilung von Kompetenzen und Aufgaben zwischen den Berufsgruppen im Gesundheitswesen, interprofessionelle Teams und neue Formen der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Lernens werden diskutiert. Für einige Transformationen liegt Evidenz vor, eher aus anderen Systemen und Ländern. Diese muss auf ihre Belastbarkeit und Übertragbarkeit überprüft werden.

Die Covid-19-Pandemie führt uns eine unmittelbare Transformation von Strukturen und Prozessen des Gesundheitsversorgungssystems vor Augen. Basierend auf schwacher oder gar fehlender Evidenz wurden weitreichende Public Health-Entscheidungen getroffen. Schwachstellen in Medizin und Pflege und fehlendes Vorbereitet-Sein auf die Pandemie wurden offenbar. Eine akribische multiperspektivische Analyse des Funktionierens der Gesundheitsversorgung in Deutschland zur Pandemiezeit und des Nutzens und Schadens der in Kraft gesetzten Maßnahmen ist unabdinglich.

Transformation wird auch durch die Möglichkeiten und Versprechungen der digitalen Techniken stimuliert. Was bringen Screeningverfahren, die sich neue Technologien und immer größere Datenmengen zunutze machen? Können kontinuierliche Datenkollektionen zum Beispiel durch Smartphones, Smart-Homes oder Internet-of-Things die Gesundheit verbessern? Helfen hierauf gestützte personalisierte Therapien? Welche Schäden und Sicherheitsrisiken sind zu befürchten? Was impliziert eine solch zunehmende Technisierung für die Beziehung zwischen Patient*innen und Therapeut*innen?

Ein übergeordnetes Motiv vieler Debatten über notwendige Transformationen des Gesundheitswesens ist die Hinwendung zu „kind care“. Behandlung und Pflege also, die die komplexe Lebenswelt von Patient*innen und die Passung (chronischer) Krankheit, sozialer Wirklichkeit und therapeutischer Optionen in den Mittelpunkt stellt und von den Angehörigen der Gesundheitsfachberufe eine Care-Kultur erwartet, geprägt durch eine partnerschaftliche Haltung.

Auf der Jahrestagung wurden diese und andere Transformationsbewegungen, die die Gesundheitsversorgung aktuell und in den nächsten Jahren maßgeblich prägen werden, analysiert und diskutiert.

  

  

Keynote-Lectures

  • Keynote I

Miranda Laurant (HAN University of Applied Sciences, Hogeschool van Arnhem en Nijmegen, Nijmegen, Niederlande)
Effectiveness, safety and feasibility of doctor-nurse substitution in primary care

Healthcare is facing many challenges, such as ageing, increased prevalence of chronic conditions and multi-morbidity, shift towards prevention and substitution of hospital care to primary healthcare. Many countries also have a (predicted) shortage of physician working in primary healthcare. These challenges require new models for healthcare delivery. One of the solutions is shifting medical tasks to other professionals, such as nurses. In this presentation best practices will be presented, including the effectiveness, safety, barriers and facilitators.

  • Keynote II

Sebastian Kuhn (Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland)
Medizin im digitalen Zeitalter - Eine Herausforderung und Chance für die Evidenzbasierte Medizin

Die Digitale Transformation bezeichnet einen fortlaufenden, in digitalen Technologien begründeten Veränderungsprozess, der das Gesundheitssystem, die beteiligten Kliniken, Universitäten und Professionen verändert. Hierbei wird eine zunehmende „Superkonvergenz“ der klassischen Medizin mit Informationstechnologien beschrieben, die das bisherige Gesundheitssystem in ein neues, digitales Gesundheitssystem verwandeln. Ärzt*innen, aber auch Angehörige weiterer Gesundheitsfachberufe und Patient*innen interagieren mit digitalen Anwendungen, die neuartige Informationen allen Beteiligten zur Verfügung stellen und dazu führen, dass Daten im Behandlungsablauf immer mehr an Bedeutung gewinnen. Mit dem im November 2019 verabschiedeten Digitale-Versorgung-Gesetz eröffnen sich der digitalen Medizin fundamental neue Perspektiven. Seit Oktober 2020 ist die Implementierung digitaler Gesundheitsanwendungen als “App auf Rezept” (DiGA) Realität. In Bezug auf die Funktionstypen handelt es sich hierbei um eine extrem heterogene Gruppe von Anwendungen, deren Einsatz in weite Bereiche der medizinischen Versorgung reicht.
Insbesondere bei Menschen mit chronischen Erkrankungen ist die Integration in die Routineversorgung absehbar. Darüber hinaus entstehen insbesondere im Kontext von COVID-19 eine Vielzahl an DiGA, die direkt in Versorgungsabläufe integriert werden. Sowohl die Qualitäts- und Evidenzbeurteilung der DiGA als auch deren sinnhafte Implementierung in medizinische Behandlungsabläufe stellt eine komplexe und derzeit überwiegend ungelöste Herausforderung dar. Darüber hinaus bieten DiGA neue Wege zur Generierung von Daten und Evidenz. Dieses Forschungsdesiderat bedarf einer interdisziplinären, interprofessionellen und intersektoralen Herangehensweise und eine Integration in EbM-Prozesse, um effektiv zur Entwicklung, sinnhaften Implementierung und Evaluation beizutragen.

  • Keynote III

Victor Montori (Mayo Clinic, Rochester, Minnesota, USA)
Careful and kind care 

There is a movement to turn away from industrialized healthcare toward careful and kind care for all. For some, evidence-based medicine has contributed to industrialization. Yet, we propose EBM is a central ingredient in the patient revolution. We will be discussing the movement toward careful and kind care we call the Patient Revolution. This movement seeks to turn away from industrialized healthcare – a form of healthcare in which the care of patients is a means to an end, in which patients are processed, and in which cruelty happens routinely and care by happy accident. Industrial healthcare has corrupted its mission: it is often careless and cruel to patients and clinicians. It seeks to turn toward careful and kind care. Careful care is unhurried, evidence-based, safe, and sensible. It is responsive to the needs and situation of this patient rather than patients like this. Careful care requires that clinicians see patients in high definition, notice their problems in their biology and biography, and respond with compassion and competence by co-creating plans of care that make intellectual, emotional and practical sense to
each patient. Kind care recognizes each patient as a fellow human, one of us rather than one of them. It calls for minimizing the demands healthcare makes on patients’ scarce time, energy, and attention which patients rather use to fulfill their obligations, pursue their loves, and flourish. Based on solidarity and love, health care must support the work of people who come together to give and receive care. The Patient Revolution seeks to demonstrate careful and kind care and create a movement to radically change healthcare globally.

Preisverleihungen

Im Rahmen der Jahrestagung wurden unsere Netzwerk-Preise vergeben: der David-Sackett-Preis (Wissenschaftspreis) und der Journalistenpreis EbM in den Medien.

David-Sackett-Preis

Die Projektgruppe CED am Zentrum für Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung der Universität zu Lübeck hat den Wissenschaftspreis des EbM-Netzwerks für ihre Forschungsergebnisse zu Wirksamkeit und Nutzen einer aktiv induzierten medizinischen Rehabilitation bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (MERCED Studie) erhalten.

Pressemitteilung zur Preisverleihung

Screenshot3.JPG Laudatorin D. Lühmann und Preisträger H. Raspe

Journalistenpreis EbM in den Medien

Anneke Meyer ist die Preisträgerin des Journalistenpreises 2021. Ihr Hörfunkbeitrag, ausgestrahlt am 13.04.2020 in der Reihe Wissenschaft im Brennpunkt des Deutschlandfunks, trägt den Titel „Ich hätte Ihnen das wirklich gerne erspart. Zytomegalie in der Schwangerschaft“.

Pressemitteilung zur Preisverleihung

Preisverleihung.JPG Video von der Preisverleihung (Link zu YouTube): I. Mühlhauser (Moderatorin), M. Keller (Laudatorin), A. Meyer (Preisträgerin)
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