Neue EbM-Kolumne zu Vitamin D
Ein relevanter Anteil unserer Bevölkerung soll an Unterversorgung mit Vitamin D leiden. Kohortenstudien berichten immer wieder von Assoziationen zwischen niedrigen 25-Hydroxyvitamin‑D Konzentrationen im Serum (25[OH]D) und den unterschiedlichsten akuten und chronischen Krankheitszuständen. Beobachtungsstudien erlauben jedoch keine kausalen Ableitungen. Dem Studiendesign inhärent sind Verzerrungen durch nicht ausreichend berücksichtigte Störvariablen und umgekehrte Kausalität (z. B., wenn niedrige 25[OH]D Werte die Folge einer Erkrankung sind und nicht deren Ursache). Zum Nutzennachweis einer Vitamin-D-Supplementierung braucht es daher randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs).
Kürzlich haben wir an dieser Stelle berichtet, dass die US Wissenschaftsbehörde USPSTF von einem Screening auf Vitamin-D-Mangel abrät (1). Die Auswertung von 46 RCTs konnte die Wirksamkeit einer Behandlung niedriger Vitamin-D-Spiegel nicht belegen, weder auf Mortalität noch auf Knochenbrüche, Depression, Diabetes, kardiovaskuläre Krankheiten oder Krebs.
Auch aus dem IQWiG gibt es ein aktuelles Gutachten zur regelmäßigen Bestimmung von Vitamin-D-Werten (2). Die Zielgruppe sind asymptomatische Personen ab 50 Jahre mit 25[OH]D < 30 ng/ml. Die Evidenzanalyse umfasst 33 RCTs mit etwa 60 000 Erwachsenen und Beobachtungszeiten bis zu 5 Jahren und findet ebenfalls keinen Anhaltspunkt für einen Nutzen einer Vitamin-D-Supplementierung in Bezug auf die Prävention von Frakturen, Stürzen, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionen und Depression.
Ein weiteres Review aus dem Jahr 2022 wurde als Grundlage für ein Expertengremium der WHO erstellt, um den Vitamin-D-Bedarf für Kinder im Alter 0-4 Jahre zu bestimmen (3). Das Gutachten wertet 146 Studien aus, davon 28 RCTs, und kommt zu dem Schluss, dass es keine ausreichende Evidenz gibt für eine kausale Assoziation zwischen Vitamin-D-Aufnahme und Asthma, Ekzemen, Infektionen oder Rachitis. Übereinstimmend mit anderen Evidenzanalysen (1,2) verweisen die Autor:innen auf den fehlenden Konsens zur Definition des Vitamin-D-Status. Es bleibt unklar, was ein Mangelzustand, was unzureichend bzw. ausreichend ist, oder wo Toxizität beginnt.
Auch das renommierte Wissenschaftsjournal Nature publizierte 2022 eine Übersicht zu den gesundheitlichen Wirkungen von Vitamin-D-Supplementierungen (4). Zusätzlich zu neuen RCTs wurden 60 sogenannte Mendel-randomisierte Analysen (MR) eingeschlossen. Das Review findet ebenfalls keine kausale Beziehung zwischen Vitamin-D-Supplementierung und Morbidität oder Mortalität. Die Autor:innen sehen jedoch ein Potenzial für weitere Forschung mit MR...