Neue EbM-Kolumne: Integritäts-Bewertungsinstrument dringend benötigt
Aktuelle, methodisch hochwertige systematische Übersichtsarbeiten zu Gesundheitsinterventionen fassen alle relevante Evidenz für eine Fragestellung zusammen und spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Leitlinienempfehlungen und bei medizinischen Versorgungsentscheidungen. Sie können jedoch auch ungewollt Fehlinformationen verbreiten, wenn fragwürdige oder nicht authentische Studien in die Evidenzbasis einfließen. Verfügbare Instrumente zur Bewertung eingeschlossener Studien, wie beispielsweise das Risk of Bias-Tool (RoB-2) von Cochrane, gehen davon aus, dass die Studien und die berichteten Daten echt sind. Doch wenn Studien manipuliert oder komplett erfunden sind, aber eine hochwertige Methodik vorgeben, kann dies das RoB-2-Tool nicht aufdecken [1].
„Nicht authentische“ Studien werden oft erst dann als solche bekannt, wenn sie von den publizierenden Fachzeitschriften zurückgezogen werden. Die Zahl der zurückgezogenen Forschungsartikel hat im Jahr 2023 die Marke von 10.000 überschritten und damit einen neuen jährlichen Höchstwert erreicht [2]. Die Gründe für die Rücknahme einer Publikation mögen vielfältig sein und von unbeabsichtigten Fehlern und naiven Irrtümern bis hin zu wissenschaftlichem Fehlverhalten reichen. Einer Studie zufolge liegt das Zurückziehen jedoch in den meisten Fällen tatsächlich an wissenschaftlichem Fehlverhalten wie nachgewiesenem oder vermutetem Betrug, doppelten Veröffentlichungen oder Plagiaten [3]. Und Integritätsexperten vermuten, dass die zurückgezogenen Studien nur die Spitze des Eisbergs sind [1].
Paper Mills – gefälschte wissenschaftliche Studien als Geschäftsmodell
In den letzten Jahren hat sich ein besorgniserregender Trend in der wissenschaftlichen Publikationslandschaft etabliert: die systematische Produktion gefälschter Forschungsartikel durch profitorientierte Dienstleister, sogenannte „Paper Mills“. Diese haben sich darauf spezialisiert, wissenschaftliche Arbeiten gegen Bezahlung zu erstellen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten sie äußerst effizient und können dank eines fragwürdigen Netzwerks sogar die Veröffentlichung in Fachjournalen ermöglichen [4]. Und diese KI-generierten, gefälschten Forschungsarbeiten sind nicht mehr einfach als Plagiate oder durch schlechte Qualität zu erkennen. Schätzungen zufolge gelangen jährlich tausende gefälschte Paper durch Paper Mills in den wissenschaftlichen Kreislauf [4]...