Journalistenpreis „Evidenzbasierte Medizin in den Medien“ 2023 für Artikel zur Wirkung von Jodiertem Speisesalz
Seit dem Jahr 2009 verleiht das EbM-Netzwerk den Journalistenpreis „Evidenzbasierte Medizin in den Medien“. Der Preis würdigt journalistische Arbeiten aus dem Print-, TV-, Hör-funk- und Onlinebereich, die die Prinzipien, Anforderungen oder Konsequenzen der evidenz-basierten Medizin umfassend, verständlich und interessant darstellen.
Preisträger 2023 ist Jonah Goodman, britischer Journalist, der in Paris lebt. Sein auf Deutsch publizierter Artikel „Wie drei Landärzte die Schweiz vom Kropf erlösten" ist am 17.09.2022 in „Das Magazin“ des Schweizer Tages-Anzeiger erschienen. Somit geht der Journalistenpreis erstmals an einen Beitrag aus der Schweiz. Die Preisverleihung fand am 23.03.2023 im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung 25 Jahre EbM-Netzwerk in Potsdam statt.
Bis Anfang des letzten Jahrhunderts litten in manchen Alpenregionen 10% der Kinder an einer schweren Entwicklungsstörung, die in dieser Zeit als „Kretinismus“ bezeichnet wurde. Sie kamen gehörlos und geistig schwer behindert zur Welt. Viele Erwachsene hatten einen Kropf. Jonah Goodman erzählt spannend, wie sich die Fachwelt im 19. und frühen 20. Jahrhundert bei der Ursachensuche dieser mysteriösen Erkrankung auf Theorien zu Infektionen oder Vererbung konzentrierte und damit auch patientenrelevante Forschung verhinderte. Dann ergab eine Kartierung der Erkrankung über die Kantone der Schweiz einen Hinweis, dass die Ursache in der Umwelt liegen könnte. Und einzelne Ärzte begannen, Familien mit kleinen Mengen Jod im Speisesalz zu versorgen. Die dramatischen Ergebnisse dieser Versuche überzeugten schließlich auch die meisten Skeptiker.
Kretinismus und massive Kropfentwicklung sind durch die Jodierung von Speisesalz heute verschwunden, aber die Aufnahme von Jod durch industrielle Lebensmittel nimmt wieder ab, auch in Deutschland. Schilddrüsenerkrankungen durch Jodmangel belasten weiterhin unser Gesundheitssystem.
Der exzellent recherchierte Artikel von Jonah Goodman erinnert daran, dass eine ausreichende Jodversorgung der Bevölkerung dauerhafte Aufmerksamkeit und ein Monitoring erfordert. Wichtige Fragen zur Jodversorgung sind ungeklärt.
Die Jury war beeindruckt von der journalistischen Qualität der Aufarbeitung dieses medizinhistorischen Themas. Der Beitrag macht im Sinne der Evidenzbasierten Medizin deutlich, dass patientenrelevante Ergebnisse entscheidend sind. Er zeigt auch, wie unter schwierigen Bedingungen klinisch relevante Feldforschung durchgeführt werden kann.
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Preisträger Jonah Goodman (Mitte) mit Tanja Krones, Kongresspräsidentin (links), und Ingrid Mühlhauser, Laudatorin (rechts)