Wissenschaft nicht durch politische Willkür ersetzen!
Morgen steht die abschließende Befassung zum Implantateregister-Errichtungsgesetz (EIRD) auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestags. Neben der zu begrüßenden Einführung einer verpflichtenden Registrierung für implantierbare Medizinprodukte (vgl. die Stellungnahmen und Pressemitteilungen des EbM-Netzwerks und von HTA.de vom 14.1.2019, 9.4.2019 bzw. vom 22.2.2019) enthält der Gesetzentwurf aber auch höchst bedenkliche und umstrittene Regelungen zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Diese Regelungen sollen der Beschleunigung von Entscheidungsprozessen bei der Bewertung und ggf. Kostenübernahmeentscheidung von innovativen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im G-BA dienen. Der Weg, den das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aber wählt, um dieses Anliegen umzusetzen, ist problematisch. Zum einen sollen die Beratungsfristen gekürzt werden, von jetzt 3 auf dann 2 Jahre.
Zum anderen will sich das BMG ermächtigen, per Verordnung die Bewertungsmaßstäbe für neue Methoden kurzerhand selbst festzulegen. So sieht der neue §91b Sozialgesetzbuch V vor, dass das BMG die "Anforderungen an die Unterlagen und die Nachweise zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" vorschreiben und in der Verfahrensordnung verankern lassen kann. Die Regelungen des SGB V, die vor allem dem Schutz der Patienten vor ungeprüften, schädlichen oder unnützen Methoden dienen, werden somit ausgehebelt. Wie wichtig das ist, wurde erst kürzlich durch die als "Implant Files" publik gewordenen Probleme mit neuen Medizinprodukten gezeigt. Das im SGB V verankerte Grundprinzip der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitssystem wird durchbrochen, indem Entscheidungen über medizinische Leistungen auf die politische, ministerielle Ebene verlagert werden. Das heißt, Entscheidungen über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden unmittelbar zum Spielball politischer Interessen und von Lobbyeinflüssen.
Die Abkehr von den Entscheidungskriterien des G-BA bedeutet auch eine Abkehr von den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin. Die seit vielen Jahren vom IQWiG und vom G-BA praktizierte Bewertung von innovativen Methoden entspricht bereits den internationalen Standards der evidenzbasierten Medizin und diese Standards wurden vom BMG und in vielen Gerichtsverfahren wiederholt bestätigt. Anstatt die Entscheidungsfindung in der Selbstverwaltung zu unterminieren wäre es vielmehr notwendig, die Voraussetzungen für die Durchführung von aussagekräftigen klinischen Studien zu verbessern, die den Nutzen von Innovationen zweifelsfrei nachweisen können. Da aber ein Rechtsanspruch von Versicherten, umstrittene Leistungen im Krankenhaus zu erhalten, in den §§39 und 137c SGB V neu verankert wird (entsprechend dem Änderungsantrag Nr. 18 der Regierungsfraktionen vom 18.9.2019), wird das die Durchführung von Studien eher erschweren. Welcher Patient würde wohl an einer Studie teilnehmen, wenn er eine Leistung auch unabhängig davon erhalten könnte? Diese Regelung richtet sich zudem gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung durch das Bundessozialgericht und mutet angesichts vieler dokumentierter Skandale mit experimentellen Methoden geradezu zynisch an.
Das EbM-Netzwerk und der Verein zur Förderung der Technologiebewertung im Gesundheitswesen (Health Technology Assessment) e.V. (HTA.de) fordern daher die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, ihre Verantwortung den Patientinnen und Patienten gegenüber wahrzunehmen und den Regelungen im Artikel 2 des EIRD (insbesondere dem §91b, sowie den Änderungen in den §§39 und 137c SGB V) ihre Zustimmung zu verweigern.